Ausstellungen
Ansprache Dr. Michael Becker / Schulleitung wfk
Sehr geehrte Damen und Herren,
herzlich willkommen zur Eröffnung der Ausstellung unseres 5. Projektes Who's next? Dank von unserer Seite an alle 25 Künstler, die sich bereit erklärt haben, ihre Werke zu präsentieren.
Die langjährige Erfahrung mit Kunstwerken führt bei aufmerksamer Beobachtung nahezu zwangsläufig zu der Erkenntnis, dass Bilder universelle Strukturen der ästhetischen Bedeutungserzeugung freisetzen; Mechanismen, die die Wahrnehmung des Menschen steuern und seinen Geist in Schwingung versetzen. Materielle Manipulationen auf der sichtbaren Ebene, sprich auf der Leinwand, evozieren unsichtbare geistige Bedeutungen, die nicht mehr gesehen werden können, sondern empfunden werden müssen, und zwar mit einem Organ, das seinerseits nicht mehr wirklich lokalisiert werden kann. Das Paradoxe an der Kunst ist daher, dass bei ihr nicht das zählt, was man sehen kann, sondern das, was man nicht sehen kann. Somit ist das Unsichtbare das, was einem Werk seine eigentliche Bedeutung verleiht. Und somit ist auch das Unsichtbare, das Unbekannte der eigentliche Gegenstand der Kunst. Der Auftrag des Künstlers ist daher nicht die Wiedergabe des Sichtbaren, sondern die Entdeckung des Unsichtbaren. Seine Kunst besteht darin, das Unsichtbare sichtbar zu machen. Der Künstler geht auf Entdeckungsreise, er schaut hinter die Kulissen, er liest zwischen den Zeilen. Vor allem entlarvt er die gesellschaftlichen Mechanismen des Nicht-Entdecken-Wollens und versucht zu ergründen, was hinter dem Schleier des schönen Scheins zu erkennen ist, um Ignoranz in Interesse zu verwandeln.
Der Künstler ist auf der Suche nach der Wahrheit. Wahrheit und Arbeit hängen dabei oft miteinander zusammen, denn selten steht sie nackt einfach vor uns. Es bedarf größter Anstrengung des Künstlers, der Wahrheit näher zu kommen, und oft bedarf es künstlerischer Tricks, die Wahrheit da und dort durchblitzen zu lassen.
Je weniger einem Künstler diese Meisterleistung gelingt, desto schwächer eine Gesellschaft. Denn nur die Konfrontation mit der Wahrheit stärkt das geistige Immunsystem und trainiert es, damit es im Ernstfall nicht mit Angst, sondern mit Souveränität reagieren kann.
Unsere Gesellschaft wird offensichtlich immer mehr zu einer, die sich Angst zum Leitmotiv eines Aktionismus auserkoren hat. Angst jedoch frisst unseren Verstand, unsere Vernunft und nicht zuletzt unsere Seele. Angst macht anfällig für Propaganda, entmündigt uns und macht uns zum Spielball von Maßnahmen, die wir dankend befolgen, weil Angst das Selbstdenken ausschaltet.
Nicht umsonst gibt es Profiteure der Angst, und hinter dem medialen Schüren von Angst steckt meist ein knallhartes monetäres und machtpolitisches Interesse, das im wahrsten Sinne über Leichen geht.
Ein Künstler kanalisiert Angst in kreative Produktivität. Er durchdringt die Mechanismen der Angsterzeugung, er kratzt an den unsichtbaren Gebäuden einer Glaubensgemeinde und bringt Licht ins Dunkel. Ein Künstler ist der ästhetische Anwalt der Aufklärung.
Die Auswahl der Themen sowie der Grad an Unkonventionalität sind Signale der Souveränität an den Betrachter. Es kann ansteckend sein, mit welcher Dreistigkeit, Schamlosigkeit, Offenheit, Wahrheitsliebe der Künstler ein Thema bearbeitet und realisiert, der Wunsch nach Souveränität wird in der künstlerischen Krise geboren.
Die Fähigkeit dazu kann über ein Studium der Kunst erlangt werden, wenn man sich einer professionellen Lehre stellen möchte. Grundlagen bilden eine Basis für künstlerische Souveränität. Die Kenntnis der Gestaltungs- und Farbgesetze liefert eine unverzichtbare Artikulationsbasis des Künstlers. Die Grundlagen der Bildsprache können zwar intuitiv oder mehr oder weniger glücksbedingt genutzt werden, hier stößt man aber schnell an seine Grenzen. Das Limit des Schaffbaren ist schnell erreicht. Eine professionelle Durchdringung und vor allem die Kenntnis um die nötigen künstlerischen Weisheiten setzt den Künstler in einen Stand der Souveränität, sprich Virtuosität, von dem aus das eigentliche Spiel der Kunst gestartet werden kann. Alles andere ist Vorspiel, das viele schon für Kunst halten. Fingerübungen, Versuche ohne Anbindung an das Geistige in der Kunst, das, was dem bloßen Auge verborgen bleibt.
Ich hatte einmal einen Doktorvater, der sagte: Kunst sei das, was jemand in der Lage sei für Kunst zu halten. Somit ist der Prozess des Verständnisses um die Bedeutung von Kunst angesprochen, der offensichtlich nie abgeschlossen sein sollte, also ein lebenslanges Lernen beinhalten kann. Gerade unser aktuelles Projekt ist wunderbar dafür geeignet, diesen Prozess spektral abzubilden. Daher nochmals herzlichen Dank an alle Aussteller, denn Sie bereichern mit Ihren Arbeiten unser aller Verständnis um das Ringen um Wahrheit und Authentizität.
Unser Dank gilt persönlich:
Günther Brandl
Charlotte Buchner
Melina Deligiorgakou
Brigitte Emsermann
Bianca Felgendreher
Christoph Grischa
Hans Heinemeyer
Elke E. Holm
Monika Hubl-Moussa
Stephan Joachim
Petra Kaars-Wiele
Monika Kesberg
Dinda Lestari
Stefan Lochmann
Thomas Rischmann
Gabriela Rupprecht
Gesilla Tietze
Kiani Scheinhütte
Natalia Schwanck
Michael Stork
Hendrik von Werder
Marie Vrbská
Marek Walczak
Carmen Weber
Herbert Wegelin
Jetzt im Anschluss wollen wir wieder in die Kunstgespräche eintauchen und die Künstler selbst zu Wort kommen lassen. Wir starten mit Gabriella Rupprecht, dann kommt Stephan Joachim, im Anschluss Marek, dann Günther Brandl und gerne noch weitere. Wir freuen uns zudem auf Ihre Fragen und Anmerkungen zu den Bildern.
Danke auch an alle Spender, die uns die letzten Male etwas in unsere Spendenbox getan haben. Vielleicht finden sich auch diesmal einige, die unsere ehrenamtliche Arbeit unterstützen möchten. Das würde uns sehr weiterhelfen. Last but not least danke an Dinda Lestari, der Sie dieses Projekt zu verdanken haben!
Vielen Dank und eine schöne Zeit heute!